Das Logo der Stadt Gaggenau mit Link zur Startseite der Stadt Gaggenau - Das Wappen der Stadt Gaggenau zeigt in Rot einen weißen Sester (ein Getreidemaß).

Springe direkt:


Sie sind hier:


Übersicht Tastaturbelegung. Startseite aufrufen. Aktuelle Meldungen. Übersicht (Navigation). Hilfe. Kontaktformular.

Inhalt

Der Michelbach erzählt

18.01.2011

Der Michelbach hat so manches erlebt und ist voller Geheimnisse. Foto: Bittmann
Der Michelbach hat so manches erlebt und ist voller Geheimnisse. Foto: Bittmann
Der Michelbach hat so manches erlebt und ist voller Geheimnisse. Foto: Bittmann

Nach den gründlichen Aufräumarbeiten in und am Flussbett des Michelbachs in der Dorflage braucht sich der Bach nicht mehr versteckt fühlen, wie vordem unter stark verwurzeltem Aufwuchs und unerwünschter Sichtbehinderung. Eine starke Arbeitstruppe unter Ortsvorsteher Franz Kowaschik hat sich ehrenamtlich für eine gründliche Korrektur eingesetzt. Unser Foto zeigt einen der aufgeräumten Abschnitte mit dem Fotostandort auf der Hirtenbrücke.

Was den Michelbach von seinem nördlichen und südlichen Nachbarn, dem Gommersbach und dem Sulzbach, unterscheidet, ist die tiefe Kerbe, die der zirka acht Kilometer lange Bachlauf seit Urzeiten in die Landschaft gegraben hat. Die Quelle liegt nordöstlich des Bernsteins in Höhe von 595 Metern über dem Meeresspiegel, genau 100 Meter unter dem Bernsteingipfel. Zwischen Quelle und dem Karl-Schwarzbrunnen und seiner Mündung in die Murg liegt ein Höhenunterschied von 454 Metern.

Wenn der Michelbach ein Mensch wäre

Das Michelbachtal steht nicht nur einfach als Begriff für eine einzige Tallandschaft, sondern ist Ensemblebegriff für eine Anzahl kleiner Tallandschaften. Stellen wir uns doch einfach diesen Wasserlauf „personifiziert“ vor und geben ihm Gelegenheit zu seiner Selbstdarstellung. Lassen wir ihn mal über seine „Biografie“ und seinen Erlebnislauf erzählen.

"Also denn, wenn es gewünscht ist, mich persönlich vorzustellen, gestatten: MICHELBACH ist mein Name. Der Zeitpunkt meiner Geburt ist nicht auszumachen wie bei Menschenkindern. Dafür hat aber meine Geburtsstube einen vielversprechenden Namen. Lesen Sie selbst, beim Karl-Schwarzbrunnen ist`s angeschrieben, wie man die Örtlichkeit meiner Quelle nennt: „Distrikt 3, Abt. 9 –Geldloch- im Staatswald“. Im Mutterschoß des Bernsteins habe ich mir so manches anders geträumt, als ich es bei meinem späteren Erlebnislauf angetroffen habe. Doch das sei erst heute nach meinen Lebensjahrhunderten festgestellt; meine teils üblen Erfahrungen mit den Menschen waren nicht immer so wie heute, wo man mich piekst, mal von Seiten der Technik, mal von sonstiger Seite.

Ich denke an bessere Zeiten, wo ich nach übermütigem Hüpfen durch die „Schließ“ erstmals mit Menschen Bekanntschaft machte mit den Schwerarbeitern in den Steinbrüchen und bei den Holzhauern in der „Tannenklamm“. Hätte mich da einmal John Knittel besucht, dann wäre er sicher auch auf den Namen einer „Via mala“ gekommen. Romantik hin, Romantik her, die Wegebauer, Köhler, Harzer und alle die Waldarbeiter sind in der Schlucht meines jugendlichen Oberlaufs nicht zu beneiden gewesen. Nur ein MB-Trac oder Unimog vermag sich heute in der „Tannenklamm“ durchzubeißen. Sagte doch mein nachgeborener Geschwisterbruder, der „Kurze Brunnen“, zu mir: „Machen wir`s doch jetzt etwas gemächlicher, nach einem Gruß hinauf zu den Neuwiesen. Der Ecken- und der Obersbach meinten dasselbe. Gemeinsam war es dann urzeitlich auch kein Problem, die Bergflanke des Münzbergs zu umfließen. Der scheinbar hemmende Gebirgsriegel tut nur so trutzig, meint es aber nicht so. In Wahrheit freut er sich mit mir, dass ich mich heute im „Gumbe“ nützlich machen kann. Abgesehen davon: Als nützlich habe ich mich schon bis dahin erwiesen; ich habe den durstigen Arbeitsleuten und den allerlei Tieren da oben im Wald genützt und den Wiesen zu einem noch saftigeren Grün verholfen.

Erstaunlich, erstaunlich! Zum ersten Mal sehe ich im Oberdorf menschliche Behausungen. Die Freude über die schmucken Häuser währte aber nicht lange. Mein Gott – dachte ich, hier waren keine Geologen am Werk, die mit Hilfe eines gefräßigen Baggermauls granitene Steinbrocken von ganz anderer Landschaft in mein Bett legten, als ich von Kindesbeinen her im Rotliegenden gewohnt war. Der Walkenbach, der sich zuvor bei der Furt dazugesellte, sagte mir: „Auch mich fröstelt’s; schnell zwischen durch!“ Schon war ich mit meinen Geschwistern in meinem wohligen Urbett, dem Rotliegenden.

Erinnerung an frühere Zeiten

Hinter dem Haus Otto Tschan, an der Oberen Mühle, kam mir die Erinnerung an die gute alte Zeit, als die Kraft meiner Ahnen noch gefragt war, welche die drei Michelbacher Mühlen in Bewegung setzten. Zuvor hatte man sich im Mühlweiher ausgeruht, ehe es dorfabwärts ging. Das Mühlrad an der Unteren Mühle, die heute noch an drei Plätzen im Dorf aufgestellten Mühlsteine, einschlägige Hausinschriften und der gleichnamige Platz, wo der Mühlweg über mich hinweg verläuft: All das sind Zeichen der Erinnerung und Treue von mühlenstolzen Michelbachern in der modernen Zeit.

Wo der Litzelbach, der kleine Bruder, sich mit mir verschwistert, lachte ich mich einmal halb kaputt, als dem Rotenfelser Fischer Großmann kein „Petri heil“ beschieden war. Er ärgerte sich, weil ihm keine Forelle ins Netz ging. Psst! Er hatte nämlich zuvor beim Traubenwirt einen Schoppen zuviel getrunken. Später, sportlicher und waidmännischer: Die Gaggenauer Fischpächter, die Kohlbeckers, machten sich mit Geduld und Geschick an die Flossentiere und Krebse ran.

Gerade machte ich im Flussverlauf eine leichte Biegung beim Haus Brunner und Sawls, wo Giebel an Giebel mit schönem Fachwerk die Straße säumen, die nach meinem Geburtsberg benannt ist, da sah ich ihn endlich, von dem man mir schon im Mittelalter erzählte, der ehrwürdige Kirchturm, der große himmelwärts weisende Finger.

Apropos Sattelmeister Brunner: Sind das nicht blitzneue Ledergeschirre auf dem Rücken eines Kuhgespanns auf der Bauers Brück` von Meister Albin angefertigt? Ja, das waren noch Zeiten – genau ebensolche, als der Fuhrmann und Wirt zur „Eintracht“, Josef Kist, seine Pferde an mein Ufer zur Tränke führte. Jedenfalls gemächlichere Zeiten, als man mich heute ein paar Meter unterhalb „hinter Gitter“ brachte, weil Fachleute zwischen Straße und mir ein überdimensioniertes Schutzgitter vonnöten hielten.

Dann, ja dann, machte ich vor Schlimmerem die Augen zu. In Höhe der „Traube“ musste ich hineinschlüpfen in einen 150 Meter langen Betonschlauch. „Au weh!“ Trotzdem war ich froh, den über mir platten Präsentierteller für Autoblech nicht sehen zu müssen. Ich erholte mich dann später, als mich der Eckbach erreichte, mir vom Aschofen erzählte, und wir schließlich der Zentralstadt zuplätscherten. Kurz zuvor warf ich zusammen mit meinen Geschwistern in Fließrichtung rechts einen Gruß zum Geflügelhof Böhle, zu den Enten, Gänsen und Hühnern, die heute wie früher das belebende Nass meiner Existenz schätzen.

In doppelter Fließgeschwindigkeit geht`s dann auf betonbereitetem Bett am Benzwerk vorbei hin zur Murg bei der Schillerbrücke. Und es erfolgt dort eine gemeinsame Verschwisterung mit ungezählten Murgtalbächen.

Nach langem Erzählen unter uns machen wir uns dem Rhein zu, auf dem Weg nach Norden – zum ewigen Kreislauf."

Meinrad Bittmann

Manfred Mayer M.A.
Pressesprecher
Stadt Gaggenau
Tel. 07225 / 962-404
Fax 07225 / 962-409
E-Mail: m.mayer@gaggenau.de



 

Springe direkt: