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Um der Wildschweinplage Herr zu werden: Dialog der Beteiligten unter Moderation eines Fachmanns

28.07.2008

Auf eine starke Resonanz stieß der Themenabend, bei dem die Verantwortlichen nach Wegen suchten, um der Wildschweinplage Herr zu werden.<br />
Auf eine starke Resonanz stieß der Themenabend, bei dem die Verantwortlichen nach Wegen suchten, um der Wildschweinplage Herr zu werden.
Auf eine starke Resonanz stieß der Themenabend, bei dem die Verantwortlichen nach Wegen suchten, um der Wildschweinplage Herr zu werden.

Die Schlinge um den Hals der Wildschweine wird enger: Dafür sorgte der Themenabend „Das Murgtal im Umbruch! Herausforderung Schwarzwildschäden“, zu dem die Gesellschaft für Kommunale Zusammenarbeit Murgtal (GKM), die Kreisjägervereinigung (Hegering Murgtal) und das Kreisforstamt in die Festhalle nach Bad Rotenfels eingeladen hatten. Die starke Resonanz von 250 Interessierten zeigte, was die Stunde geschlagen und welche Brisanz das Thema Wildschweinplage auf Gaggenauer Gemarkung und darüber hinaus zwischenzeitlich erreicht hat.

„Mit Schwein in die Zukunft – wie viel Schwarzwild ertragen wir?“, fragte Wildbiologe Niels Hahn von WILCON – Wildlife Consulting. Fakt sei, dass es den Jägern bisher nicht gelungen ist, die Wildschweinpopulation auf niedrigem Niveau einzuregulieren. Das Schwarzwild sei fortpflanzungsfreudig, anpassungsfähig, gefräßig, urig und niedlich. Um wenigstens den jährlichen Zuwachs an Borstenvieh zur Strecke zu bringen, seien die Bachen zu bejagen. Das Gewicht der gejagten Exemplare zu beschränken sei kontraproduktiv. Während die Bewegungsjagd effizient sei, riet Hahn vom Anfüttern (Kirren) der Wildschweine ab, falls man ihren Bestand wirklich senken wolle, zumal der Lebensraum ohnehin immer schwarzwildgerechter werde (so wegen Maisanbaus für Biogasanlagen).

Die Frage sei, ob der Wildschweinplage mit den Mitteln der Jagd überhaupt beizukommen ist. Ein Drittel der Jäger meine heute schon: „Wir schaffen es nicht.“ Eine fatale Entwicklung. Die Landwirte/Grundstücksbesitzer allerdings glaubten noch an die Jäger. Eine klare Beobachtung, Erfassung und Überwachung der Wildschweinplage (Monitoring) mit verbindlichen Zielvorgaben gebe es bislang nicht. Das liege an den unterschiedlichen Sichtweisen: Während der Jäger den Wildschweinbestand als richtig reguliert oder gar als zu niedrig einstufe, erachte der Förster ihn als zu hoch, ähnlich wie der Landwirt und Grundstücksbesitzer. Hinzu komme revierbezogenes Denken, das ein „regionales Schwarzwild-Management“ verhindere. Der Interessenkonflikt Jäger gegen Forstleute und Grundstücksbesitzer sei unübersehbar.

„Jagd ist nicht nur Leidenschaft, sondern auch Auftrag“, appellierte Hahn an das Verantwortungsgefühl der Jäger. „Denn die Lebensraumkapazität ist beim Schwarzwild noch nicht erreicht.“ Während die Jäger eine höhere Dichte naturgemäß akzeptierten, täten die Landwirte und Grundstücksbesitzer das angesichts der angerichteten Schäden verständlicherweise weniger. Jetzt gehe es darum, den „Überlappungsbereich“ der Sichtweisen zu definieren und sich verbindliche Ziele zu setzen. Dafür müsse eine Art „Wildtier-Manager“ als Moderator her.

Michael Nödl vom Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband sprach sich dafür aus, „Frischlinge zu schießen, auch wenn sie noch Streifen haben“. Jäger sollten auch jenseits der Reviergrenzen jagen und das Gespräch über Wildschäden mit dem Landwirt und Grundstückseigentümer suchen. „Die Problematik ist hausgemacht“, sieht Michael Hug vom NABU-Landesverband Baden-Württemberg in den Kirrungen die Ursache des Übels. „Die Sau braucht Mais nicht aus Jägerhand.“ Einsicht, Ehrlichkeit und Transparenz seien erforderlich.

Ein Patentrezept gegen die Wildschweinplage habe er nicht gehört, sagte Erich Steigerwald von der Kreisjägervereinigung Rastatt/Baden-Baden. Der Bürgermeister Loffenaus gab zu bedenken, dass die Existenz des Landwirts/Grundstücksbesitzers heutzutage durch Wildschäden nicht mehr gefährdet sei. Vielmehr gehe es um eine „Unästhetik“, die wühlende Wildschweine anrichten würden. Einen Schweinesäugling zu schießen, ergebe für ihn keinen wirtschaftlichen Sinn. Die Grenze der Verwertbarkeit liege bei 10 Kilogramm. Allerdings könnten Abschussprämien möglicherweise hilfreich sein. Bei der Fuchsjagd habe sich dieses Mittel bewährt, so dass es heute bei uns keine Tollwut mehr gebe.

Kategorisch verwahrte sich Steigerwald gegen die Jagd mit Nachtsichtgeräten. Abgesehen von gesetzlichen Bestimmungen sei das der falsche Ansatz, den er allein schon aus ethischen Gründen ablehnen würde. Auch lasse das Kirren die Population der Wildschweine nicht explodieren, ergänzte ein Mann aus dem Publikum. Die im Schwarzwald mögliche Buchen- und Eichenmast und die Vegetation, die infolge des Kahlschlags durch den Orkan „Lothar“ erst entstanden sei, hätten Baden-Württemberg zum Wildschweinland gemacht. Hinzu kämen immer mildere Temperaturen, die den Schwarzkitteln zusage. Alles Umstände, die nicht in der Hand der Jäger lägen. Das bisschen Mais beim Kirren sei nicht ausschlaggebend.

„Wie aber ist das Problem zu lösen?“, drängte Kreisforstamtsleiter Thomas Nissen auf eine konkrete Antwort. Die gab Wildbiologe Hahn. Er erkenne namentlich im Murgtal „viel Wissen, aber verhärtete Fronten“. Deshalb sei in einen „moderierten Prozess“ einzusteigen. Die verschiedenen Interessengruppen seien an einen Tisch zu holen, um konsensfähige, einvernehmliche Zielvorgaben zu finden. Ansonsten stehe man in ein paar Jahren an gleicher Stelle, ohne aus dem jetzigen Kreisel herauszukommen. Ein Fachmann, der nicht von einer Behörde kommen dürfe, solle als Moderator Lösungsvorschläge unterbreiten, wobei Minimalkompromisse schon ein Fortschritt wären. Allerdings dürfe man sich der Effizienz wegen nicht auf Landkreisebene, sondern lediglich auf kommunaler Ebene treffen. Dem pflichtete Steigerwald bei, der die Ebene des Hegerings Murgtal als passend für den Dialog zwischen GKM, Jägern und Grundbesitzern betrachtet.

„Die Jäger müssen unterstützt werden, und die Grundstückseigentümer sind mit einzubinden“, plädierte auch Oberbürgermeister Christof Florus für einen Dialog, um so gemeinsame Vorgehensweisen zu finden. „Die Unterstützung des Landwirtschaftsamtes haben Sie“, versicherte Leiterin Andrea Stief den Diskussionsteilnehmern. Weisenbachs Bürgermeister Toni Huber, der den Abend moderierte, regte an, den Anteil der Frischlinge bei der Jagd zu erhöhen (von derzeit 30 bis 40 auf 70 Prozent).

„Der Dialog ist wichtig, eine schnelle Lösung wird es allerdings nicht geben“, dämpfte NABU-Vertreter Hug zu hohe Erwartungen. „Weniger füttern, mehr schießen“, sei das Gebot der Stunde. Zu „großflächigem Denken“ riet Steigerwald den Jagdpächtern, die mit den Gemeinden zusammenarbeiten sollten. Von einer „beispielgebenden Veranstaltung“ sprach Huber mit Blick auf den Abend und sah den „Beginn eines Dialogs“, ohne den es wohl keinen Ausweg aus der Malaise gibt.

Pressestelle Stadt Gaggenau
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