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Schüler aus Gaggenau, Annemasse und Sieradz sprachen per Visiokonferenz mit Brüssel

15.05.2007

Eine gelungene Premiere, die nach Wiederholungen verlangt

Per Visiokonferenzschaltung nach Brüssel

Es war eine so nicht gekannte Premiere, und sie gelang: Die Visiokonferenz, die das Hauptamt der Stadtverwaltung Gaggenau am 8. Mai, dem Europatag, mit Brüssel einfädelte und gleichzeitig auf die beiden Partnerstädte Annemasse und Sieradz ausweitete, war ein aufschlussreiches Zeugnis europäischen Zusammengehens und –lebens. Schülerinnen und Schüler aus Gaggenau, Annemasse und Sieradz stellten via Bild- und Tonschaltung Fragen ihrer Wahl an die EU-Abgeordneten in Brüssel. Rede und Antwort standen Daniel Caspary aus Deutschland, sein französischer Kollege Guy Bono und der Pole Jacek Saryusz-Wolski.

Die Visiokonferenz förderte vor allem eines zutage: Solange das babelsche Sprachengewirr in Europa nicht dahingehend überwunden werden kann, dass die einzelnen Nationen zumindest die Sprache ihres Nachbarns lernen, wird eine Verständigung nur schwer möglich sein. Die Gaggenauer und Polen stellten ihre Fragen auf Englisch und bedienten sich ihrer Muttersprachen nicht. Ganz anders die Franzosen: Sie sprachen nur ihre Muttersprache und mussten sich selbst das Englische ins Französische rückübersetzen lassen, um die Antworten der Abgeordneten zu verstehen. Da sind die deutschen und polnischen Schüler ihren französischen Altersgenossen um einiges voraus. Interessant auch die Aufmachung der einzelnen Fragesteller: Während man sich in Gaggenau und Annemasse leger kleidete, saßen die polnischen Fragestellerinnen und Fragesteller in Anzug und Krawatte sowie im Kostüm da.

Der Karlsruher Abgeordnete Daniel Caspary, dessen Mitarbeiterbüro die Gaggenauer beim Aufbau der Visiokonferenz tatkräftig unterstützte, überzeugte mit klaren, überschaubaren und verständlichen Antworten. Auf die Frage aus Sieradz, was er mit Polen verbinde, führte Caspary unter anderem den polnischen Papst Johannes Paul II, die polnische Gewerkschaft Solidarnosc und die damit einhergehende demokratische Aufbruchbewegung ins Feld, die schließlich allesamt dazu beitrugen, dass der Eiserne Vorhang einriss.
Der französische Abgeordnete verbindet mit Polen vor allem berühmte Persönlichkeiten der Geschichte wie Kopernikus, Chopin und Marie Curie. Bono, der eher zum ausufernden Antworten neigte, bedauerte, dass viele junge Polen das eigene Land verlassen, weil es für sie weniger attraktiv ist, als ins Ausland zu gehen. Auf die Frage, welche Vorurteile es zwischen Deutschen, Franzosen und Polen gebe, antwortete Caspary mit dem Hinweis, er wolle weniger über Vorurteile, als vielmehr über gemeinsame Chancen sprechen. Fehler habe es schon immer gegeben, deshalb gelte es, sich auf das Positive zu konzentrieren.

„Wir wollen mehr und mehr Geld investieren in die Jugend und den Schüleraustausch, um so junge Menschen zusammenzubringen“, erklärte Caspary als Hauptziel. Sich gegenseitig kennen lernen könne man nur, wenn man den Alltag des Anderen erfährt. Ebenso wie sein deutscher Kollege würdigte auch Bono die Jugendarbeit der EU. Er verwies auf die Europaprogramme Erasmus und Leonardo, die Auslandsaufenthalte für Jugendliche und Studenten vermitteln.

Sich am besten informieren über die EU könne, wer zur Zeitung greife, riet Caspary, die Medien zu nutzen. Es gebe nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht zur Information. Der deutsche wie der französische Abgeordnete sprachen ihre Hoffnung aus, der ins Stocken geratene Europaprozess möge bald wieder in die Gänge kommen. Das Veto der Niederlande und Frankreichs gegen eine EU-Verfassung müsse Ansporn sein, so schnell wie möglich einen neuen, akzeptablen Text zu finden, so Bono.

Einig waren sich der Deutsche und Franzose auch in den großen Hoffnungen, die man auf den neuen EU-Partner Polen setze. Es sei wünschenswert, dass die modernen Werte der EU auch in die Haltung Polens einfließen, sagte Bono mit kritischem Seitenhieb auf die gegenwärtige konservative Regierung Polens. Allerdings überzeugte der polnische Abgeordnete durch seine ausgezeichneten englischen und französischen Sprachkenntnisse – im Gegensatz zu Bono, der nur Französisch sprach. Als der Pole merkte, dass die französischen Schüler mit dem Englischen Probleme haben, wechselte er höflich und anstandslos ins Französische und stand fortan in dieser Sprache Rede und Antwort. Der Nachteil war jetzt der, dass vor allem die zahlreichen Schülerinnen und Schüler im Bürgersaal des Gaggenauer Rathauses das Nachsehen hatten, weil sie eher des Englischen als des Französischen mächtig sind und eine Simultanübersetzung aus dem Französischen ins Deutsche hier nicht stattfand.

Der polnische Abgeordnete wehrte sich dagegen, Polen als Osteuropa zu bezeichnen. Vielmehr sei Polen ein zentraleuropäischer Staat, was angesichts der Tatsache, das Europa geographisch bis zum Ural reicht, sicher einleuchtet. Von der Osterweiterung, so der polnische Abgeordnete, könne Europa nur profitieren. Das damit eröffnete Arbeitskräftepotential sei ein Segen für die europäische Wirtschaft. Europa, so der französische Abgeordnete Bono, sei auch nicht in Gefahr, seine sozialen Sicherungssysteme zu verlieren.

Zum Ausklang der Visiokonferenz waren viele um eine Erfahrung reicher. Man hat bemerkt, wie leicht es heute doch möglich ist, riesige Distanzen aufs schnellste zu überwinden. Lediglich ein bisschen Disziplin ist von Nöten und Gesprächskultur, so zum Beispiel, dass man den Gesprächspartner jeweils ausreden lässt. Das ist immer noch das A und O bei einer Visiokonferenz, die so positiv disziplinierend wirkt. Für Hauptamtsleiter Rudolf Horsch ist es gut denkbar, dass es nicht bei dieser Premiere bleibt, sondern dass man zukünftig öfters das Mittel der Visiokonferenz nutzen könnte, um in Kontakt zu treten, noch bevor hunderte oder gar tausende Kilometer zurückgelegt werden müssten. Als abschließend noch einmal alle Schülerinnen und Schüler aus Gaggenau und den beiden Partnerstädten ins Bild kamen, strahlten sie, winkten sich gegenseitig zu und grüßten sich freundlich.



 

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